Zwei Monate vor dem Ende meines 10monatigen Aufenthaltes in Istanbul möchte ich all meinen Lieben, die mich im Laufe der Zeit begleitet haben, sei es durch Telefonate, e-Mails, Sms, msn oder auch denen, die einfach nur regelmäßig meinen Blog gelesen haben, danken. Das Interesse und die Unterstützung haben mir sehr geholfen, die Zeit hier durchzustehen, und mich auch glücklich gemacht, weil Ihr mich nicht vergessen habt. Ich habe sehr viel in der Zeit hier erlebt, bisher aber immer nur die Highlights in meinem Blog veröffentlicht. Ich werde nun in den letzten Wochen einen Rückblick starten, der viel persönlicher ist, und neben all den Highlights auch mein normales Leben, meine Hoffnungen, Ängste und kleinen Glücksmomente berücksichtigt.
Es ist beängstigend, wie schnell die Zeit vergeht. Ich erinnere mich noch, wie ich in Istanbul ankam, die ersten Eindrücke, die Überwältigung, das Neue. Glücklicher Weise war der Kulturschock für mich nicht dermaßen riesig, weil ich ja schon einiges von der Grabung gewohnt bin. Aber dennoch, diese Stadt ist einfach riesig, laut, dreckig, voll, überwältigend, mitreißend. Ich stand dort an meinem ersten Tag, alleine in Istanbul, den ganzen Tag hatte ich im Amt verbracht um meine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Dort standen wahnsinnig viele Menschen, die alle eine Sprache sprachen, die ich hoffte, nach meinem Aufenthalt auch zu sprechen. Hektik, Gedrängel, Rücksichtslosigkeit, keine Vorteile für das kleine deutsche Mädchen, das keine Ahnung hat und doch einfach nur hier für eine Weile leben möchte. Nein, eher wurde noch versucht, die Erlaubnis zu verhindern, hier fehlt das Dokument, deswegen muss du zu dem Schalter, Rumgemale in Originalbescheinigungen, usw. Glücklicherweise hatte ich die Unterstützung einer türkischen Freundin, ohne sie wäre ich vielleicht wieder zurück gekommen. Nachdem ich dann noch einmal zurückkommen musste, hatte ich denn endlich meinen Ausweis: Aufenthaltserlaubnis bis zum 12.7.2008!
Ich stand also da, meine neue Heimat, ein Land, dessen Sprache ich nicht sprach, dessen Leute ich nicht kannte, in einer riesigen, unüberschaubaren Stadt. Wo ist es sicher? Welche Gegenden sollte ich meiden? Was muss ich beachten? Das erste Mal in meinem Leben war ich wirklich alleine. Mein Zuhause ein Heim, Vierbettzimmer, keine Steckdose, keine Privatsphäre. Wie wird mein Leben in den nächsten Monaten verlaufen? Was werde ich erleben? Wird es eine positive Erfahrung? Werde ich Probleme bekommen? Ich war zwar verunsichert, aber neugierig. Ich hatte keine Angst, erstaunlicher Weise, aber einfach keine Ahnung, ich war ja erst am Anfang dieser Reise…
Ganz alleine war ich allerdings nicht, denn sowohl im Heim, als auch in meinem Sprachkurs waren noch ganz viele andere Erasmusstudenten. Sehr viele aus Deutschland, aber auch sonst von überall her: aus den Niederlanden, Frankreich, Österreich, Schweden, Italien, usw. Nach dem Sprachkurs hat sich das Ganze aber ziemlich verteilt, da nur wenige in Istanbul geblieben sind. Einige sind auch nach Ankara und Izmir weiter.
In den ersten Tagen haben sich aber Freundschaften gebildet, die bis heute bestehen. Und ich hoffe, wir werden auch in der Zukunft weiterhin Kontakt haben.
Die Tatsache, dass ich fünf Wochen in dem Heim leben musste, letztendlich als einzige Ersamusstudentin, nachdem schon die ganzen Türkinnen kamen, die dort ihr Jahr verbringen würden, hat mich schon sehr deprimiert. Wieso haben alle was gefunden, nur ich nicht? Und ich konnte dieses Heim nicht mehr ertragen, diese Kontrolle, diese Enge, das Leben aus dem Koffer, die fehlende Privatsphäre, die türkischen Zicken, die Sprache, die ich nicht verstand, die Erzählungen von Freundinnen, wie schön doch das neue Zimmer sei. Ich hatte gleich in den ersten fünf Wochen einen dicken grippalen Infekt, habe eine Woche Sprachkurs verpasst und auch diverse freundschaftliche Anschlüsse. Und während meine Freunde Ausflüge gemacht haben, habe ich mir Zimmer angeschaut. Und das waren manchmal Baracken, wofür die Leute echt noch Geld haben wollten! Und oft war es auch so, dass man, obwohl man nur ein Zimmer hatte, die Hälfte der Miete tragen sollte. Die türkische Art der Mietteilung, weil alle davon ausgehen, dass Europäer einfach mehr Geld haben… pfff, mag ja bei manchen auch stimmen, aber eben nicht bei allen…
Die neue Wohnung, die ich dann endlich gefunden hatte, war auch echt super schön, und ich wollte dort ja auch unbedingt einziehen, aber im Endeffekt einfach zu teuer. Gut, die Lage war einfach unschlagbar, schön war sie ja auch, und ich dachte, wenn ich dort zehn Monate die Treppen steige, bekomme ich muskulöse Beine und nen knackigen Po.
Aber nachdem die Regenzeit in Istanbul im November anfing, stellte sich die Qualität der Bruchbude heraus, überall kämpfte sich Schimmel unter der Farbe hervor, der Vermieter meinte, wir müssten mehr lüften (war ja sowieso nur die ganze Zeit kalt, weil schlecht isoliert), und im Endeffekt hatte das nichts mit Lüften zu tun. Das war einfach nur eine Bruchbude, die nicht einen Pfennig wert war.
Nachdem ich wieder anfing zu suchen, kam ich glücklicherweise auf die Idee, meine Freundin von der Uni zu fragen. Seit Mitte Januar wohne ich jetzt dort, mit ihrer Zwillingsschwester und deren Bruder zusammen, und es ist super schön. Natürlich gibt’s auch hier Momente, in denen ich denke: „hä??? Was soll das denn jetzt?“ oder „Ich bin doch nicht eure Putzfrau!!“, aber das Zusammenleben auf persönlicher Ebene stimmt einfach. Alle drei sind super lieb, wir reden auch viel (leider sprechen alle drei sehr gut Englisch, ich faule Nuss wende somit mein Türkisch auch nicht allzu oft an), wenn ich Probleme habe, kann ich mit ihnen sprechen und wir unternehmen auch öfter was zusammen.
Cisem, meine Freundin von der Uni, bei der ich jetzt lebe, und ich haben z.B. am ersten Mai, als hier in Istanbul Demonstrationen waren und wo man als Normalbürger lieber zu Hause bleiben sollte, zusammen gepuzzelt! Für sie war es das erste (!) Puzzle, das sie bis zum Ende gemacht hat, und für mich war es eine Art Suchtbefriedigung – wer mich genauer kennt weiß, wie sehr ich puzzeln liebe!! Und vermisse!! Wir fahren manchmal auch zusammen zur Uni oder gehen ins DAI, und jetzt machen wir sogar Tandem, denn sie wird sehr wahrscheinlich im Oktober nach Münster kommen, und so können wir schön zusammen Deutsch und Türkisch lernen.
Leider werde ich aber noch mal umziehen müssen. Manchmal frage ich mich, was ich falsch gemacht habe, wer mich strafen will, aber ich versuche das einfach als Chance zu sehen, wieder neue Leute kennen zu lernen, weitere Erfahrungen zu machen. Noch mal mit anderen zusammen leben, mir wieder die Möglichkeit zu geben, mich selber wieder ein kleines Stück besser kennen zu lernen, in einer neuen Situation. Dank meiner Mädels kann ich aber für die letzten fünf Wochen bei Freunden von ihnen unterkommen, die ich auch kenne und die auch wirklich sehr nett sind. Nur schade, dass ich meinen ganzen Kram wieder packen muss, und fünf Wochen später wieder. Ich dachte auch, ich könnte jetzt die letzten Wochen noch entspannt und in Ruhe mit den dreien zusammen wohnen. Der Abschied wird schwer genug, jetzt muss ich von denen schon eher Abschied nehmen und ich fange schon in Istanbul an, alle drei zu vermissen. Ich bin froh, dass Cisem nach Deutschland kommen will, denn dann sehen wir uns noch ein Jahr länger. Und ich kann ihr meine Heimat zeigen.
….soviel fürs erste…Fortsetzung folgt…
1 Kommentar:
So ein Rückblick ist ja doch mal ganz spannend - man vergißt doch schnell, wie es war....
Aber trotz aller Rückschläge bzw. Schwierigkeiten - Du hast es super-toll gepackt und durchgezogen. Und wahnsinnig schöne Erfahrungen gemacht!
Papa und ich finden das toll - und nicht nur, weil wir Deine Eltern sind!
Wir sind stolz auf Dich. Liebe Grüße aus Moers,
Mama
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